Nach dem der Zenit der Flüchtlingsdebatte spätestens 2016 überschritten war, haben sich auch Themen und Aktionen der extrem rechten Szene in Thüringen verändert. Wie schon im vergangenen Jahr ist die Zahl extrem rechter Demonstrationen und Kundgebung in Thüringen weiter rückläufig. Nach den teils enormen Mobilisierungserfolgen bei rassistischen Aufmärschen 2015 und 2016 gelang es der Szene nicht, ihr Mobilisierungspotential dauerhaft zu erhalten. Bei der überschaubaren Anzahl extrem rechter Aufmärsche im Jahr 2018 waren nur in Ausnahmefällen größere Teilnehmerzahlen zu verzeichnen. Heraus stachen dabei lediglich ein „Trauermarsch“ der extrem rechten Kleinstpartei der III. Weg im Februar in Nordhausen, an dem sich rund 200 Neonazis beteiligten und eine 1.Mai-Demonstration, die der Thüringer (damalige) Landesvorsitzende der NPD, Thorsten Heise, angemeldet hatte. Aus Sicht der Neonazi-Szene dürfte der 1. Mai in Erfurt durchaus als Erfolg zu werten sein: Etwa 700 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet folgten dem Aufruf. Parallel fand in Chemnitz eine durch den III. Weg organisierte Demo statt, an der sich auch zahlreiche Neonazis aus Erfurt, Weimar, Kahla und anderen thüringischen Orten beteiligten.
Heise sorgte zuletzt für bundesweite Schlagzeilen, weil aus dessen Haus heraus ein brutaler Angriff auf zwei Journalisten verübt wurde und der Neonazi-Funktionär sich später sogar über die Gewalttat amüsierte.
Daneben fanden 2018 zwei Demonstrationen der AfD statt, zu denen jeweils mehrere hundert Personen nach Erfurt und Eisenach mobilisiert werden konnten. Aber auch die rechtspopulistische AfD blieb 2018 weit hinter ihrem Mobilisierungspotential der Jahre 2015/16 zurück, als es der Partei noch gelang, einige tausend Menschen zu Demonstrationen in Erfurt zu mobilisieren. Auch in diesem Jahr waren wieder zahlreiche Personen aus der extrem rechten Szene Thüringens unter den Teilnehmenden.
Trotz der zurückgegangen Anzahl der Aufmärsche, blieb die extreme Rechte in Thüringen auch 2018 aktiv. Dabei zeigte sich immer wieder, dass Neonazis aus Thüringen auch in den angrenzenden Bundesländern an der Organisation von Veranstaltungen beteiligt waren oder diese maßgeblich verantworteten. Zu nennen wären hier die Organisation des RechtsRock-Großkonzerts „Schild und Schwert“ in Ostritz durch Thorsten Heise, Demo-Teilnahmen und Mobilisierungen zu extrem rechten Aufmärschen in Chemnitz, Zwickau und Bielefeld, sowie eine antisemitische Kundgebung im Juni des Jahres in Nürnberg. Diese wurde von den Thüringer Neonazis Angela Schaller angemeldet und von Axel Schlimper moderiert.
Auch die Anzahl der RechtsRock-Konzerte blieb 2018 weiter auf sehr hohem Niveau. Wie schon im Vorjahr fand im Durchschnitt jedes Wochenende eine extrem rechte Konzertveranstaltung im Freistaat statt.
Im Zeichen der Großveranstaltungen
Auch im Jahr 2018 bleibt Thüringen das Festival-Land der bundesdeutschen RechtsRock-Szene. Im laufenden Jahr fanden vier solcher Veranstaltungen, die versammlungsrechtlich als Kundgebungen gelten, statt. Zwei der angekündigten Veranstaltungen waren sogar zweitägig konzipiert worden und haben damit eine noch stärkeren Festivalcharakter. Auch das durch den Neonazi-Funktionär Thorsten Heise organisierte „Schild und Schwert“-Festival im ostsächsischen Ostritz setzte auf dieses Format.
Bereits am 08. und 09. Juni 2018 fanden die „Tage der nationalen Bewegung“ in Themar statt. Auf einer Wiese am Ortseingang der südthüringischen Kleinstadt Themar, auf der bereits im vorangegangenen Jahr bis zu 6.000 Neonazis aus ganz Europa feierten, organisierte der Bundesorganisationsleiter der NPD, Sebastian Schmidtke, das zweitägige Neonazi-Festival. Der Mix aus politischen Reden, Podiumsdiskussionen und Auftritten einschlägig bekannter RechtsRock-Gruppen lockte am 9. Juni immerhin 2200 Personen nach Themar. Ein Beleg für den in diesem Jahr zu beobachtenden rigideren Umgang der Polizei mit RechtsRock-Konzerten ist der Konzertabbruch beim Auftritt der Band Brutal Attack nach einem Verstoß gegen die Jugendschutzauflagen. Für den 5. und 6. Juli 2019 wird bereits die Fortsetzung der Veranstaltung in Themar angekündigt.
Dem von der Partei der III. Weg organisierte „Jugend im Sturm“-Festival am 7. Juli in Kirchheim, von dem es ebenfalls eine Neuauflage in 2019 geben soll, war deutlich weniger Zuspruch beschieden. Vertreter*innen der Partei hatten im Jahr zuvor das Konzert in Themar als weitgehend unpolitische Vergnügung kritisiert und insbesondere die subkulturelle Szene als Unglück für die „Bewegung“ disqualifiziert. Das Veranstaltungskonzept beim eigenen Event, dass nun versuchte, stärker politische Inhalten in den Mittelpunkt zu rücken, überzeugte offensichtlich, trotz durchaus beliebter Musikgruppen, Kampfsport und allerlei Ständen, nur etwa 220 Personen.
Aufgrund des Engagements von Thorsten Heise in Ostritz organisierte die NPD Eichsfeld nur einen reduzierten Eichsfeldtag am 1. September. Insbesondere das musikalische Programm bestand lediglich aus eher balladenhaften Musikbeiträgen. Die Halbherzigkeit der Vorbereitung des als Familienfest beworbenen Events dürfte der Grund für den schlecht besuchtesten Eichsfeldtag seit Bestehen sein. Nur ca. 150 Teilnehmende zählte die Polizei.
Die dritte Auflage des „Rock gegen Überfremdung“ hat Thüringen 2018 sicherlich am meisten beschäftigt. Angekündigt war diese Veranstaltung zunächst für den 25. August in dem Dorf Mattstedt bei Apolda. Aufgrund unklarer Eigentumsverhältnisse des Geländes bestätigten Verwaltungsgerichte am Tag zuvor ein Nutzungs- und Betretungsverbot für das Wochenende des Konzertes. Der Südthüringer Neonazi Tommy Frenck nutzte die Situation für ein spontanes Ersatzevent auf seinem Grundstück mit etwa 500 Teilnehmenden.
Herausgefordert durch das Vorgehen der Behörden kündigten die Veranstalter aus der rockerähnlichen Gruppierung „Turonen“ ein zweitägiges Event für den 5. und 6. Oktober in Apolda und Magdala an. Das Festival sollte tatsächlich in der Kleinstadt Magdala, nahe der Autobahn A4 gelegen, auf einem Feldgrundstück ausgerichtet werden. In Magdala gelang es abermals der Kommune, das Event zu verhindern. Der Grund diesmal: Das Gelände war nur über einen Feldweg zu erreichen, der für diese Art der Nutzung weder vorgesehen noch geeignet ist. Eilig wurden an beiden Abenden Ersatzkonzerte auf dem Apoldaer Marktplatz improvisiert. Am Samstag endete dies nach kurzer Zeit in gewalttätigen Ausschreitungen der angereisten Neonazis mit der Polizei und einer Räumung des Platzes.
Zwei Aspekte sind dabei interessant: Zum Einen haben die Thüringer Neonazi-Veranstalter*innen inzwischen ein derartiges Selbstvertrauen gewonnen, dass sie sich in diesem Jahr in Themar, Apolda/Magdala und im sächsischen Ostritz zweitägige Festivals zutrauten. Die Nachfrage zu solchen Veranstaltungen scheint in der sich wieder eher subkulturell organisierenden Szene ausreichend vorhanden zu sein. Zum anderen haben Innenministerium, Verwaltungsbehörden und Polizei in Thüringen im zurückliegenden Jahr 2018 deutlich erkennen lassen, dass sie bereit sind, die möglichen Mittel bei der Verhinderung oder Einschränkung dieser Großveranstaltungen zu nutzen. Dieses konsequentere Vorgehen sorgte einerseits für Einnahmeausfälle bei den neonazistischen Veranstalter*innen und erschütterte andererseits das Vertrauens der Szene, dass diese Events in Thüringen – wie bisher gewohnt – ungehindert möglich sind.
Neben den Neonazi-Großveranstaltungen dürften bis Jahresende noch etwa 50 weitere RechtsRock-Konzerte hinzukommen. Diese Zahl bewegt sich auf dem hohen Niveau der Vorjahre (46-60 Konzerte). Was sich dort abspielt, zeigen geheim gedrehte Aufnahmen des Journalisten Thomas Kuban in Kirchheim im August 2018. Hinter verschlossenen Türen offenbaren Neonazis ihren ganzen Hass und ihre menschenverachtende Ideologie, ohne das Behörden zugegen sind.
Das extrem rechte Parteienspektrum
Das extrem rechte Parteienspektrum hat in Thüringen in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung verloren. Zum einen haben interne Streitigkeiten strukturell immer wieder zu Austritten, Neugründungen und Auflösungen geführt und andererseits verschlechterten sich auch die Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren deutlich. Wie auch bundesweit wurde das Wählerklientel seit 2014 zu großen Teilen von der AfD aufgesogen. Sogar neonazistische Führungsfiguren wie Tommy Frenck haben in der Vergangenheit bei Wahlen für die AfD geworben. So rief er bereits 2016 bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern dazu auf, sowohl NPD als auch AfD zu wählen. Zur Bundestagswahl 2017 schrieb Frenck dann: „Bei dieser Wahl werde ich zum ersten Mal meine Kreuze bei der AfD machen […].“
Die meisten gewählten Neonazis in den Thüringer Kommunalparlamenten treten kaum mehr in Erscheinung. Selbst die eigenen Online-Plattformen führen wenige Aktivitäten der NPD-Abgeordneten. Jenseits weniger Funktionär*innen ist die kommunale Arbeit faktisch eingeschlafen. Stärker war hingegen die Präsenz der Neonazi-Partei im subkulturellen Bereich. In der NPD-eigenen Immobilie in Eisenach finden regelmäßig RechtsRock-Konzerte und Vorträge statt. Damit avancierte die Landesgeschäftsstelle in den vergangenen Monaten zu einem der RechtsRock-Hotspots in Thüringen. Diese Entwicklung ist wohl nicht zuletzt auch der aktuellen politischen Bedeutungslosigkeit der NPD geschuldet, die mit ihrem „seriösen“ Kurs gescheitert ist und sich nun wieder dem subkulturellen Spektrum zuwendet.
Neben der NPD existiert aktuell in Thüringen nur noch eine Untergliederung der Kleinstpartei der III. Weg. Nach internen Querelen hatte sich zuvor der Landesverband von Die Rechte aufgelöst und war in Teilen zum III. Weg gewechselt. Die Partei fällt bisher in Thüringen vor allem durch Flyerverteilungen, ihre Bundesparteitage und Großveranstaltungen auf. Dass die neonazistische Partei bei den Wahlen 2019 ernsthaft Erscheinung tritt, ist derzeit eher unwahrscheinlich.
Ausblick 2019
Für das Jahr 2019 sind es vor allem zwei Aktionsfelder, auf denen mit starken Aktivitäten zu rechnen ist. Weiterhin natürlich im Bereich von RechtsRock-Konzerten und Großveranstaltungen. Diese haben sich in Thüringen in den letzten 15 Jahren etabliert und dienen der Szene als veritable Geldquelle. Ohne ein weiteres konsequentes Gegenhalten der Zivilgesellschaft und der Landesregierung ist nicht von einer Eindämmung auszugehen. Die Verankerung der RechtsRock-Szene in Thüringen wird ohnehin nicht in einem Sommer rückgängig zu machen sein.
Neben den dutzenden RechtsRock-Veranstaltungen mit tausenden Besuchern werden vor allem die Wahlkämpfe 2019 entscheidend in Thüringen sein. Neben den Europawahlen und den Kommunalwahlen Ende Mai wird in Thüringen im Oktober auch ein neuer Landtag gewählt. Für alle Wahlen ist wieder mit Infoständen der NPD zu rechnen, die vor allem um das Erreichen ihrer Kommunalmandate und die 1%-Hürde zur Wahlkampfkostenerstattung bei der Landtagswahl kämpfen wird. Sollte die Partei in Thüringen unter diese Marke sinken, wäre dies für den Landesverband ein erheblicher finanzieller Verlust. Ein Einzug in das Landesparlament ist ohnehin unrealistisch. Von größerer Bedeutung wird es sein, mit welchem Ergebnis die rechtspopulistische AfD um ihren extrem rechten Spitzenkandidaten Höcke in Thüringen aus der Wahl hervorgehen wird und wie sich die extrem rechte Szene dazu positioniert. Mit einer wahrscheinlich größeren AfD-Fraktion dürfte sich die Diskursverschiebung weiter fortsetzen und die Regierungsbildung nach der Wahl erschwert werden.
Nach dem der Zenit der Flüchtlingsdebatte spätestens 2016 überschritten war, haben sich auch Themen und Aktionen der extrem rechten Szene in Thüringen verändert. Wie schon im vergangenen Jahr ist die Zahl extrem rechter Demonstrationen und Kundgebung in Thüringen weiter rückläufig. Nach den teils enormen Mobilisierungserfolgen bei rassistischen Aufmärschen 2015 und 2016 gelang es der Szene nicht, ihr Mobilisierungspotential dauerhaft zu erhalten. Bei der überschaubaren Anzahl extrem rechter Aufmärsche im Jahr 2018 waren nur in Ausnahmefällen größere Teilnehmerzahlen zu verzeichnen. Heraus stachen dabei lediglich ein „Trauermarsch“ der extrem rechten Kleinstpartei der III. Weg im Februar in Nordhausen, an dem sich rund 200 Neonazis beteiligten und eine 1.Mai-Demonstration, die der Thüringer (damalige) Landesvorsitzende der NPD, Thorsten Heise, angemeldet hatte. Aus Sicht der Neonazi-Szene dürfte der 1. Mai in Erfurt durchaus als Erfolg zu werten sein: Etwa 700 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet folgten dem Aufruf. Parallel fand in Chemnitz eine durch den III. Weg organisierte Demo statt, an der sich auch zahlreiche Neonazis aus Erfurt, Weimar, Kahla und anderen thüringischen Orten beteiligten.
Heise sorgte zuletzt für bundesweite Schlagzeilen, weil aus dessen Haus heraus ein brutaler Angriff auf zwei Journalisten verübt wurde und der Neonazi-Funktionär sich später sogar über die Gewalttat amüsierte.
Daneben fanden 2018 zwei Demonstrationen der AfD statt, zu denen jeweils mehrere hundert Personen nach Erfurt und Eisenach mobilisiert werden konnten. Aber auch die rechtspopulistische AfD blieb 2018 weit hinter ihrem Mobilisierungspotential der Jahre 2015/16 zurück, als es der Partei noch gelang, einige tausend Menschen zu Demonstrationen in Erfurt zu mobilisieren. Auch in diesem Jahr waren wieder zahlreiche Personen aus der extrem rechten Szene Thüringens unter den Teilnehmenden.
Trotz der zurückgegangen Anzahl der Aufmärsche, blieb die extreme Rechte in Thüringen auch 2018 aktiv. Dabei zeigte sich immer wieder, dass Neonazis aus Thüringen auch in den angrenzenden Bundesländern an der Organisation von Veranstaltungen beteiligt waren oder diese maßgeblich verantworteten. Zu nennen wären hier die Organisation des RechtsRock-Großkonzerts „Schild und Schwert“ in Ostritz durch Thorsten Heise, Demo-Teilnahmen und Mobilisierungen zu extrem rechten Aufmärschen in Chemnitz, Zwickau und Bielefeld, sowie eine antisemitische Kundgebung im Juni des Jahres in Nürnberg. Diese wurde von den Thüringer Neonazis Angela Schaller angemeldet und von Axel Schlimper moderiert.
Auch die Anzahl der RechtsRock-Konzerte blieb 2018 weiter auf sehr hohem Niveau. Wie schon im Vorjahr fand im Durchschnitt jedes Wochenende eine extrem rechte Konzertveranstaltung im Freistaat statt.
Im Zeichen der Großveranstaltungen
Auch im Jahr 2018 bleibt Thüringen das Festival-Land der bundesdeutschen RechtsRock-Szene. Im laufenden Jahr fanden vier solcher Veranstaltungen, die versammlungsrechtlich als Kundgebungen gelten, statt. Zwei der angekündigten Veranstaltungen waren sogar zweitägig konzipiert worden und haben damit eine noch stärkeren Festivalcharakter. Auch das durch den Neonazi-Funktionär Thorsten Heise organisierte „Schild und Schwert“-Festival im ostsächsischen Ostritz setzte auf dieses Format.
Bereits am 08. und 09. Juni 2018 fanden die „Tage der nationalen Bewegung“ in Themar statt. Auf einer Wiese am Ortseingang der südthüringischen Kleinstadt Themar, auf der bereits im vorangegangenen Jahr bis zu 6.000 Neonazis aus ganz Europa feierten, organisierte der Bundesorganisationsleiter der NPD, Sebastian Schmidtke, das zweitägige Neonazi-Festival. Der Mix aus politischen Reden, Podiumsdiskussionen und Auftritten einschlägig bekannter RechtsRock-Gruppen lockte am 9. Juni immerhin 2200 Personen nach Themar. Ein Beleg für den in diesem Jahr zu beobachtenden rigideren Umgang der Polizei mit RechtsRock-Konzerten ist der Konzertabbruch beim Auftritt der Band Brutal Attack nach einem Verstoß gegen die Jugendschutzauflagen. Für den 5. und 6. Juli 2019 wird bereits die Fortsetzung der Veranstaltung in Themar angekündigt.
Dem von der Partei der III. Weg organisierte „Jugend im Sturm“-Festival am 7. Juli in Kirchheim, von dem es ebenfalls eine Neuauflage in 2019 geben soll, war deutlich weniger Zuspruch beschieden. Vertreter*innen der Partei hatten im Jahr zuvor das Konzert in Themar als weitgehend unpolitische Vergnügung kritisiert und insbesondere die subkulturelle Szene als Unglück für die „Bewegung“ disqualifiziert. Das Veranstaltungskonzept beim eigenen Event, dass nun versuchte, stärker politische Inhalten in den Mittelpunkt zu rücken, überzeugte offensichtlich, trotz durchaus beliebter Musikgruppen, Kampfsport und allerlei Ständen, nur etwa 220 Personen.
Aufgrund des Engagements von Thorsten Heise in Ostritz organisierte die NPD Eichsfeld nur einen reduzierten Eichsfeldtag am 1. September. Insbesondere das musikalische Programm bestand lediglich aus eher balladenhaften Musikbeiträgen. Die Halbherzigkeit der Vorbereitung des als Familienfest beworbenen Events dürfte der Grund für den schlecht besuchtesten Eichsfeldtag seit Bestehen sein. Nur ca. 150 Teilnehmende zählte die Polizei.
Die dritte Auflage des „Rock gegen Überfremdung“ hat Thüringen 2018 sicherlich am meisten beschäftigt. Angekündigt war diese Veranstaltung zunächst für den 25. August in dem Dorf Mattstedt bei Apolda. Aufgrund unklarer Eigentumsverhältnisse des Geländes bestätigten Verwaltungsgerichte am Tag zuvor ein Nutzungs- und Betretungsverbot für das Wochenende des Konzertes. Der Südthüringer Neonazi Tommy Frenck nutzte die Situation für ein spontanes Ersatzevent auf seinem Grundstück mit etwa 500 Teilnehmenden.
Herausgefordert durch das Vorgehen der Behörden kündigten die Veranstalter aus der rockerähnlichen Gruppierung „Turonen“ ein zweitägiges Event für den 5. und 6. Oktober in Apolda und Magdala an. Das Festival sollte tatsächlich in der Kleinstadt Magdala, nahe der Autobahn A4 gelegen, auf einem Feldgrundstück ausgerichtet werden. In Magdala gelang es abermals der Kommune, das Event zu verhindern. Der Grund diesmal: Das Gelände war nur über einen Feldweg zu erreichen, der für diese Art der Nutzung weder vorgesehen noch geeignet ist. Eilig wurden an beiden Abenden Ersatzkonzerte auf dem Apoldaer Marktplatz improvisiert. Am Samstag endete dies nach kurzer Zeit in gewalttätigen Ausschreitungen der angereisten Neonazis mit der Polizei und einer Räumung des Platzes.
Zwei Aspekte sind dabei interessant: Zum Einen haben die Thüringer Neonazi-Veranstalter*innen inzwischen ein derartiges Selbstvertrauen gewonnen, dass sie sich in diesem Jahr in Themar, Apolda/Magdala und im sächsischen Ostritz zweitägige Festivals zutrauten. Die Nachfrage zu solchen Veranstaltungen scheint in der sich wieder eher subkulturell organisierenden Szene ausreichend vorhanden zu sein. Zum anderen haben Innenministerium, Verwaltungsbehörden und Polizei in Thüringen im zurückliegenden Jahr 2018 deutlich erkennen lassen, dass sie bereit sind, die möglichen Mittel bei der Verhinderung oder Einschränkung dieser Großveranstaltungen zu nutzen. Dieses konsequentere Vorgehen sorgte einerseits für Einnahmeausfälle bei den neonazistischen Veranstalter*innen und erschütterte andererseits das Vertrauens der Szene, dass diese Events in Thüringen – wie bisher gewohnt – ungehindert möglich sind.
Neben den Neonazi-Großveranstaltungen dürften bis Jahresende noch etwa 50 weitere RechtsRock-Konzerte hinzukommen. Diese Zahl bewegt sich auf dem hohen Niveau der Vorjahre (46-60 Konzerte). Was sich dort abspielt, zeigen geheim gedrehte Aufnahmen des Journalisten Thomas Kuban in Kirchheim im August 2018. Hinter verschlossenen Türen offenbaren Neonazis ihren ganzen Hass und ihre menschenverachtende Ideologie, ohne das Behörden zugegen sind.
Das extrem rechte Parteienspektrum
Das extrem rechte Parteienspektrum hat in Thüringen in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung verloren. Zum einen haben interne Streitigkeiten strukturell immer wieder zu Austritten, Neugründungen und Auflösungen geführt und andererseits verschlechterten sich auch die Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren deutlich. Wie auch bundesweit wurde das Wählerklientel seit 2014 zu großen Teilen von der AfD aufgesogen. Sogar neonazistische Führungsfiguren wie Tommy Frenck haben in der Vergangenheit bei Wahlen für die AfD geworben. So rief er bereits 2016 bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern dazu auf, sowohl NPD als auch AfD zu wählen. Zur Bundestagswahl 2017 schrieb Frenck dann: „Bei dieser Wahl werde ich zum ersten Mal meine Kreuze bei der AfD machen […].“
Die meisten gewählten Neonazis in den Thüringer Kommunalparlamenten treten kaum mehr in Erscheinung. Selbst die eigenen Online-Plattformen führen wenige Aktivitäten der NPD-Abgeordneten. Jenseits weniger Funktionär*innen ist die kommunale Arbeit faktisch eingeschlafen. Stärker war hingegen die Präsenz der Neonazi-Partei im subkulturellen Bereich. In der NPD-eigenen Immobilie in Eisenach finden regelmäßig RechtsRock-Konzerte und Vorträge statt. Damit avancierte die Landesgeschäftsstelle in den vergangenen Monaten zu einem der RechtsRock-Hotspots in Thüringen. Diese Entwicklung ist wohl nicht zuletzt auch der aktuellen politischen Bedeutungslosigkeit der NPD geschuldet, die mit ihrem „seriösen“ Kurs gescheitert ist und sich nun wieder dem subkulturellen Spektrum zuwendet.
Neben der NPD existiert aktuell in Thüringen nur noch eine Untergliederung der Kleinstpartei der III. Weg. Nach internen Querelen hatte sich zuvor der Landesverband von Die Rechte aufgelöst und war in Teilen zum III. Weg gewechselt. Die Partei fällt bisher in Thüringen vor allem durch Flyerverteilungen, ihre Bundesparteitage und Großveranstaltungen auf. Dass die neonazistische Partei bei den Wahlen 2019 ernsthaft Erscheinung tritt, ist derzeit eher unwahrscheinlich.
Ausblick 2019
Für das Jahr 2019 sind es vor allem zwei Aktionsfelder, auf denen mit starken Aktivitäten zu rechnen ist. Weiterhin natürlich im Bereich von RechtsRock-Konzerten und Großveranstaltungen. Diese haben sich in Thüringen in den letzten 15 Jahren etabliert und dienen der Szene als veritable Geldquelle. Ohne ein weiteres konsequentes Gegenhalten der Zivilgesellschaft und der Landesregierung ist nicht von einer Eindämmung auszugehen. Die Verankerung der RechtsRock-Szene in Thüringen wird ohnehin nicht in einem Sommer rückgängig zu machen sein.
Neben den dutzenden RechtsRock-Veranstaltungen mit tausenden Besuchern werden vor allem die Wahlkämpfe 2019 entscheidend in Thüringen sein. Neben den Europawahlen und den Kommunalwahlen Ende Mai wird in Thüringen im Oktober auch ein neuer Landtag gewählt. Für alle Wahlen ist wieder mit Infoständen der NPD zu rechnen, die vor allem um das Erreichen ihrer Kommunalmandate und die 1%-Hürde zur Wahlkampfkostenerstattung bei der Landtagswahl kämpfen wird. Sollte die Partei in Thüringen unter diese Marke sinken, wäre dies für den Landesverband ein erheblicher finanzieller Verlust. Ein Einzug in das Landesparlament ist ohnehin unrealistisch. Von größerer Bedeutung wird es sein, mit welchem Ergebnis die rechtspopulistische AfD um ihren extrem rechten Spitzenkandidaten Höcke in Thüringen aus der Wahl hervorgehen wird und wie sich die extrem rechte Szene dazu positioniert. Mit einer wahrscheinlich größeren AfD-Fraktion dürfte sich die Diskursverschiebung weiter fortsetzen und die Regierungsbildung nach der Wahl erschwert werden.