Am heutigen Vormittag hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die lange erwartete Entscheidung über den NPD-Verbotsantrag gefällt. Die NPD wird nicht verboten. Die Richter bescheinigten durchaus eine Wesensnähe zum Nationalsozialismus und somit eine verfassungsfeindliche Ausrichtung. Jedoch bestehe keine plausible Chance auf tatsächliche Umsetzung der Ziele.

Auch wenn einzelne Organisation der extremen Rechten kein allzu großes Potential haben mögen, sieht die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) insgesamt durchaus ein Potential für Angriffe auf das demokratische Zusammenleben. Sei es durch das Anheizen eines rassistischen Klimas bei den unzähligen THÜGIDA-Aktionen oder durch die Schaffung von Angsträumen bei Demonstrationen, Großveranstaltungen oder rund um die Szene-Immobilen. Für Geflüchtete, politisch Andersdenkende und demokratisch Engagierte sind Einschüchterungen und Drohungen keinesfalls unbekannt – vom Mitglied in einem Bürgerbündnis bis zum/zur Landtagsabgeordneten.

Das Verbotsverfahren hat in Thüringen für den aktuellen Niedergang der NPD kaum eine Rolle gespielt. Wichtiger waren persönliche Differenzen, eine dünne Personaldecke und das Unvermögen inhaltlich Akzente zu setzen. Längst steht mit THÜGIDA ein Netzwerk der extremen Rechten im Vordergrund, das mit wöchentlichen Aktionen auf sich aufmerksam macht und die demokratische Zivilgesellschaft in Atem hält. Daneben bauen mit der RECHTEN und dem III. Weg zwei neue Parteien Strukturen in Thüringen auf. Ein Verbot der NPD hätte also für die Szene nicht mehr als den Wegfall einer Betätigungsoption neben anderen bedeutet.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf nicht fehlinterpretiert werden. Es hat die Verfassungsfeindlichkeit der Zielsetzungen der Partei deutlich benannt. Dass die NPD mittlerweile für unbedeutend eingeschätzt wird, bedeutet nicht, dass die extreme Rechte insgesamt vernachlässigt werden kann. Es gab schon zuvor Verbote, Höhen und Tiefen für die Szene. Nichts davon hat zum Verschwinden eines rassistischen bzw. ethnozentristischen Volkstumsbegriffs geführt. Nichts davon hat neonazistische „Heldengedenken“, Großveranstaltungen mit bis zu 5000 Teilnehmenden, rassistisch motivierte Übergriffe und Morde oder rechtsterroristische Aktionen verhindert.

Das Karlsruher Urteil verändert die Lage im Grunde nicht: Weiterhin braucht es das kluge und entschlossene Eintreten für die Menschenrechte und das Prinzip der Demokratie. Ein demokratischer Staat mit einer ebenso wachen wie starken Zivilgesellschaft müssen extrem rechte Positionen und Aktionen beständig in die Schranken weisen und die demokratischen Werte aktiv verteidigen.