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NS-Verherrlichung und Abschiebe-Partystimmung – RechtsRock in Thüringen 2024

Das RechtsRock-Geschehen in Thüringen bleibt mit 48 Musikveranstaltungen in 2024 auf hohem Niveau. Die große Bedeutung von Bewegungs-Unternehmern in Verbindung mit Szene-Immobilien spiegelt sich in der regionalen Verteilung der Konzerte wider. Auftritte szenenaher Musiker im öffentlichen Raum oder die Neubearbeitung beliebter Disko-Klassiker  mit rassistischen Texten markieren einen neuen Versuch der gesellschaftlichen Normalisierung extrem rechter Ideologie.

Mit 48 extrem rechten Musikveranstaltungen in Thüringen veränderte sich die Anzahl gegenüber 51 von MOBIT gezählten Konzerten im Jahr 2023 nur geringfügig.  Zwei weitere Konzerte in Zeulenroda und Suhl wurden 2024 von der Polizei verhindert.  Nach wie vor war es in Thüringen im vergangenen Jahr möglich, durchschnittlich eine extrem rechte Musikveranstaltung pro Woche zu besuchen.

RechtsRock-Veranstaltungen fanden in 14 der 22 Landkreise und kreisfreien Städte Thüringens statt. Der Südthüringer Landkreis Hildburghausen verzeichnet mit elf Konzerten in 2024 die höchste Anzahl von extrem rechten Musikveranstaltungen. Es folgen der Wartburgkreis mit acht sowie dem Landkreis Greiz mit sechs Musikveranstaltungen.

Liederabende bleiben beliebt

Trotz des deutlichen Rückgangs, sind Liederabende das beliebteste Format im Kontext RechtsRock-Veranstaltungen. MOBIT dokumentierte im vergangenen Jahr 26 Liederabende gegenüber 48 in 2023, bei denen neben szenebekannten Liedermachern, Protagonisten altbekannter RechtsRock-Bands unplugged auftreten.

So lieferten die beiden Neonazi-Liedermacher Axel Schlimper und Sebastian Döhring alias „Fylgien“ die musikalische Abendgestaltung einer Veranstaltung des geschichtsrevisionistischen Vereins „Gedächtnisstätte e.V.“ auf dem Rittergut Gutmannshausen im Landkreis Sömmerda. Der Musiker und Beisitzer im Bundesvorstand der Neonazi-Partei „Die Heimat“, ehemals NPD, Philipp Neumann alias „Phil von FLAK“ bespielte im November die ersten Liederabende im neu eröffneten „Gasthof Eiserner Löwe“ in Brattendorf im Landkreis Hildburghausen. Beworben wurden diese Konzerte als „Abende voller Emotionen und Musik“ durch den bekannten Südthüringer Neonazi Tommy Frenck.

Neben 26 extrem rechten Liederabenden dokumentierte MOBIT sieben RechtsRock-Konzerte in 2024 in Thüringen. Im März traten im „Ossi-Bunker“ in Zeulenroda drei Rock-Bands auf, im Juni die Sonnberger Neonazi-Band „Unbeliebte Jungs“. Aus dem Stilbereich des rechten Metal spielten im November im Erfurter Club „From Hell“ wie im Jahr zuvor die finnische National Socialist Black Metal-Band „Horna“.

Stilrichtungen extrem rechter Musik 2024 in Thüringen

Live- Musik aus politischer Strategie

Auffällig für 2024 ist eine vermehrte Zunahme von sogenannten sonstigen Musikveranstaltungen von drei im Jahr 2023 auf 14 Veranstaltungen in 2024. Darunter zählen Musikdarbietungen, die keinen typischen Konzertcharakter besitzen, sondern kurze Musikeinlagen von Protagonisten der Szene bei Veranstaltungen, Demonstrationen oder Kundgebungen darstellen. Beispielhaft sei das Musizieren des Neonazi-Liedermachers Frank Rennicke im März bei einem Protest der extremen Rechten vor einer Unterkunft für Geflüchtete in Gera genannt, der von der Initiative „Miteinanderstadt Gera“ um Christian Klar organisiert wurde. 

Die Form bzw. der Stil ist dabei nachrangig; wichtig ist der auf Stärkung der politischen Rechten abzielende Zweck. Um aktuelle Einsatzformen rechter Musik zu verstehen, muss die Absicht des Transports extrem rechter Positionen und Ideologie in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Einsatz von Live-Musik bei öffentlichen Versammlungen soll diese nicht nur attraktiver machen, sondern ist auch ein inhaltlicher Beitrag. So kann der aktuelle Anstieg von sogenannten „sonstigen Musikveranstaltungen“ erklärt werden.

Die strategisch nutzbaren Funktionen von RechtsRock, wie dem Transport von Ideologie, einer Emotionalisierung und auch Mobilisierung, fanden darüber hinaus in 2024 wiederholt in den Thüringer Wahlkampfgeschehen rund um Kommunal- Europa- und Landtagswahlen ihren Einsatz. Ein Landtagskandidat der AfD aus dem Wartburgkreis bewarb beispielsweise seine Wahlkampfveranstaltung in Bad Salzungen mit dem Auftritt des Brandenburger Musikers „Esteban Cortez“, der seit Jahren in der rechten Pandemieleugnungsszene auftritt. Sowohl in Sonneberg als auch Mühlhausen war der Brandenburger Alleinunterhalter „Björn Banane“ Teil der Veranstaltungsreihe „Blaue Welle“ des extrem rechten und AfD-nahen Compact-Magazins. Dessen öffentliche Veranstaltungen in Form von Familienfesten in zahlreichen Städten u.a. Thüringens diente der indirekten Wahlkampfunterstützung für die AfD.

Extrem rechte Musik jetzt auch als Schlager und Pop

Gesamtgesellschaftlich ist die Rechte in der Allianz von AfD, Kleinstparteien wie den Freien Sachsen, Gruppierungen wie Freies Thüringen und weiteren verschwörungsideologischen Post-Pandemiegruppierungen samt sogenannten Reichsbürgern normalisiert. Dieses Spektrum trägt ihre Politik seit Jahren mit Kundgebungen und Aufzügen in die Öffentlichkeit. Dabei ist man musikalisch ebenso flexibel, wie bei manchen politischen Argumentationen. Auch in Thüringen auftretende Musiker*innen radikalisierten sich seit der Pandemiezeit in diesem Milieu.

Stefan Krähe, der seit Jahrzehnten Deutschrock macht und 2023 sowie 2024 auf dem Altstadtfest Nordhausen spielte, oder „Björn Banane“ (bürgerlich Björn Winter), der zunächst mit „Ballermann“-tauglichen Songs die Pandemie-Proteste unterstützte, traten mittlerweile mehrfach bei AfD-Veranstaltungen sowie weiteren extrem rechten Gruppen auf. Björn Winter arbeitet laut SPIEGEL-Recherchen sogar für AfD-Funktionäre. 

Mindestens ebenso wichtig wie der Lieveauftritt ist die digitale Weiterverbreitung. So lassen sich die politischen Botschaften noch weiterverbreiten. Hier „Björn Banane“ beim Anheizen des Publikums bei einer „Blauen Welle“-Veranstaltung des compact-Magazins in Sonneberg.
Screenshot: Youtube-Kanal CompactTV

Das Video aus einem Sylter Lokal vom Mai 2024, in dem zum bekannten Popsong „L’amour toujours“ durch Gäste rassistische Texte gesungen wurden, fand bundesweit Nachahmung und gleichermaßen in Thüringen. Dieselben Parolen, eingebettet in ausgelassenes Partygeschehen in einer Diskothek in Erfurt, einem Stadtfest in Waschleben (Landkreis Sömmerda), oder einer Tuning-Veranstaltung in Saalburg, Saale-Orla-Kreis, zeigten auch mit Bezug auf Musik eine gesellschaftliche Normalisierung von  Rassismus und Nationalismus. Der auf einer AfD-Wahlparty in Brandenburg im September 2024 intonierte „Abschiebesong“ mit der Melodie des bekannten Party-Songs „Das geht ab. (Wir feiern die ganze Nacht.)“ fand auf Social-Media-Plattformen wie TikTok Verbreitung gerade unter jungen Thüringer*innen.

RechtsRock und Künstliche Intelligenz (KI)?

Technischer Fortschritt ermöglicht es mittlerweile auch Laien am heimischen Rechner Musikstücke zu entwickeln. Mit der Angabe von Schlagworten oder Textbausteinen entwickeln frei zugängliche Programme Liedtexte und bieten deren Vertonung mit unterschiedlichen Stilen an. Einzelpersonen kreieren mit extrem rechten Schlagworten Musikstücke mit emotionalisierenden Handlungsaufforderungen wie bei den Protesten von Akteuren aus der Landwirtschaft zu Beginn des Jahres 2024. Nicht selten wird dabei auch zur Wahl einer extrem rechte Partei aufgerufen. Unterlegt mit Fotos extrem rechter Veranstaltungen oder gleichfalls KI-erzeugten Bildern entstehen unaufwändig Videos zu Kundgebungen oder Demonstrationen.  So endet der von der AfD-TV gefilmte und veröffentlichte Auftakt des Landtagwahlkampfs der AfD Thüringen im September 2024 in Arnstadt mit dem KI-Song „AfD – Gemeinsam stark und frei“ einer Person namens FloKi. Auf seinen Social-Media-Kanälen finden sich neben Cover-Versionen bekannter Songs und deren Umgestaltung mit rassistischen Texten auch mit KI entwickelte Musikstücke zur Bewerbung der AfD.  

Auch extrem rechte Streamer wie Michael Wittwer die regelmäßig szeneeigene Veranstaltungen in Thüringen filmisch begleiten, bieten auf ihren Social-Media-Kanälen KI-Songs passend zum Anlass an.

Ideologie, Geschäfte und Vernetzung – Bedeutung von Szene-Immobilien

Szeneeigene Immobilien bilden für die extreme Rechte die notwendige Infrastruktur, damit politische Arbeit organisiert, Einnahmen durch Veranstaltungen und Gewerbe generiert und Ideologie transportiert und verbreitet werden kann. Rassistische, antisemitische, nationalistische und demokratiefeindliche Haltungen und Botschaften können unverhohlen in Musik, Schrift, Symbolik und verbalen Äußerungen ausgelebt werden.

Nach der umfassenden Aussage des Die-Heimat-Funktionärs Patrick Wieschkes  im „Knockout51-Prozess“ verlor die Landesgeschäftsstelle der Partei in Eisenach komplett die Bedeutung für das RechtsRock-Geschehen in Thüringen. Waren es in 2023 noch rund elf Konzerte in der Immobilie, fand nach Kenntnisstand von MOBIT in 2024 kein einziges RechtsRock-Konzert im sogenannten Flieder Volkshaus statt.

Entgegen der Entwicklung in Eisenach wirkt sich der ungehinderte Zugang und die unwidersprochene Nutzung extrem rechter Immobilien in anderen Thüringer Landkreisen unmittelbar auf das RechtsRock-Geschehen aus.  Ein Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts zwang den Neonazi Tommy Frenck den langjährig gepachteten „Gasthof Goldene Löwe“ in Kloster Veßra Mitte des Jahres 2024 zu verlassen. 

Bekanntgabe des Umzugs nach Brattendorf direkt am alten „Goldenen Löwen“ in Kloster Veßra
Bild: MOBIT

Bereits im September 2024 feierte Frenck die Eröffnung des Gasthofs „Eiserner Löwe“ in Brattendorf, nur rund 20 Kilometer von Kloster Veßra entfernt. Behördlich erteilte Auflagen begrenzen die Teilnehmendenzahl der Konzerte in Brattendorf aktuell auf 40 Personen pro Konzert. Frenck behilft sich damit, dieselben Musiker an mehreren Tagen in Folge auftreten zu lassen. Innerhalb eines Zeitraums von nur zwei Monaten veranstaltete Frenck so neun RechtsRock-Konzerte in Form von Liederabenden dort“. Neben Szene-Musikern aus Thüringen sang im Dezember 2024 Hannes Ostendorf, Sänger der extrem rechten Band „Kategorie C“ aus dem Umland von Bremen. Das Potential der Immobilie und des Grundstücks, das auch größere Neonazi-Open-Airs zuließe, ist aktuell noch nicht ausgeschöpft.

Für das erste Halbjahr 2025 kündigte Frenck bereits zwanzig RechtsRock-Konzerte im „Gasthof Eiserner Löwe“ an. Nach einem Bericht des MDR hält jedoch der Bürgermeister der Gemeinde Auengrund das Gasthaus nicht für einen Neonazi-Treffpunkt. Es würden „Speisen und Getränke für jedermann angeboten und nicht nur für eine spezielle Klientel“. Damit wird ignoriert, dass in der Immobilie drei Neonazi-Versandgeschäfte registriert sind und mit der „Afrikakorps-Bar“, einem Erwin-Rommel-Gedenkbrunnen oder einer mehrere Meter großen Symbol einer sogenannten Schwarzen Sonne im Gastraum eine sehr spezielle Kundenansprache erfolgt.

Screenshot aus einem Imagefilm für das neue Gasthaus „Eiserner Löwe“ in Brattendorf. Deutlich werden hierin die „Attraktionen“ bestehend aus Wehrmacht- und SS-Kontexten herausgestellt.
Quelle: Youtube-Imagefilm „Eiserner Löwe“ aus Oktober 2024

Frenck kündigt selbst die weitere Steigerung der Attraktivität des Gasthauses durch Übernachtungsmöglichkeiten, einem Saal und eine Kegelbahn an. Der mangelnde Widerspruch gegen das Agieren des Neonazis fördert die Normalisierung extrem rechter Ideologie im Landkreis enorm.

Fazit

Strukturen und Personen der RechtsRock-Szene Thüringens waren in 2024 nicht weniger umtriebig als die Jahre zuvor. Das Musikgeschehen war eng gekoppelt an aktive Multi-Funktionäre und den ungestörten Zugang zu Immobilien. Die gesellschaftliche Verbreitung extrem rechter Ideologie spiegelte sich auch im Musikgeschehen wider.  Sie war mitunter auch poppig, als Schlager oder Stimmungsmusik wahrzunehmen – zuweilen KI-generiert von lokalen unbekannten Amateur-Musikern. Eine gezielte emotionalisierende Ansprache mit Hilfe von Musik nutzten extrem rechte Akteur*innen im umfangreichen Wahlkampfgeschehen Thüringens.

Der „Gasthof Eiserner Löwe“ in Brattendorf im Süden Thüringens entwickelt sich rasant zum bundesweit meist genutzten RechtsRock-Zentrum.